Was wollt ihr mit den Unterschriften eigentlich anfangen? Und warum sind Eure Forderungen nicht konkreter? Gibt es gerade einen besonderen Anlass?
by Christian Voigt
Danke für die Kommentare und Nachfragen, die wir bisher erhalten haben. Drei dieser Fragen versuche ich hier zu beantworten:
a) Was wir eigentlich mit den Unterschriften vorhaben und bezwecken,
b) warum unsere Forderungen nicht konkreter und ausführlicher sind,
c) warum unsere Forderungen gerade jetzt in diesen Tagen hochaktuell sind. Dazu werde ich kurz die Ereignisse der letzten Tage in der EU-Politik zusammenfassen.
a) “An wen richtet sich der Appell und was wird mit den Unterschriften geschehen?”
Unser Ziel ist es, mindestens 300 Professorinnen und Professoren für diesen Appell zu gewinnen. Gleichzeitig wollen wir natürlich auch insgesamt so viele Unterschriften wie nur möglich sammeln. Dieses Ziel wollen wir vorrangig erreichen, um Medienaufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Wir werden also, sobald die 300 beisammen sind, Pressemitteilungen verschicken und auf allen anderen verfügbaren Wegen versuchen Zeitungen auf uns aufmerksam zu machen.
Mit einer Übergabe der Unterschriften an Politiker kann man häufig ein besonders medientaugliches Ereignis schaffen. Wir werden deswegen versuchen die Unterschriften Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu überreichen. Aber wir richten unsere Hoffnungen nicht direkt auf die Politiker (das wäre bei Frau Aigner auch unangebracht, angesichts ihrer gegenwärtigen Agrarpolitik, s.u.), sondern auf die Öffentlichkeit: Wir glauben, dass es zunächst eine breitere öffentliche Debatte über die Massentierhaltung geben muss, bevor der politische Druck groß genug für echte Veränderungen ist.
Deswegen ist jede Unterschrift für sich genommen schon viel wert. Besonders viel wert ist sie uns, wenn sie von einer Person kommt, die sich bisher noch nicht für dieses Thema engagiert hat. Wir versuchen deswegen ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Sollten wir damit Erfolg haben, können wir darüber nachdenken, ob wir eine Bundestagspetition in Angriff nehmen (das würde allerdings 50.000 Unterschriften erfordern). Für eine Bundestagspetition wären konkrete Forderungen in der Tat sinnnvoll. Für unsere Zwecke scheinen uns unsere Forderungen besser geeignet zu sein. Damit sind wir bei der zweiten Frage:
b) “Mir ist nicht ganz klar, was Eure Forderungen sind. Eure Forderungen sind mir nicht konkret genug.”
Am Anfang haben wir überlegt, ob wir ganz konkrete Forderungen stellen sollen, wie z.B. den sofortigen Baustopp neuer Mastanlagen. Das wäre gewiß sehr plakativ gewesen, würde sich sehr konkret anhören, wäre aber in Wirklichkeit sehr naiv und unrealistisch gewesen. Wir haben uns stattdessen bewußt dafür entschieden keinen eigenen Forderungskatalog zu erstellen, sondern die Forderungen vom Netzwerk “Bauernhöfe statt Agrarfabriken” zu übernehmen, auch um diesem Netzwerk mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Einige unserer Forderungen sind in der Tat relativ allgemein. Aus ihnen ergibt sich noch nicht direkt ein politisches Programm (z.B. “Transformation zu einer sozial-ökologischen Landwirtschaft”). Sie entwerfen eher ein Zukunftsbild, auf das wir hinarbeiten sollten: Eine Zukunft, in der die Höfe kleiner sind, in der es den Tieren besser geht, in der Bio-Produkte staatlich besser gefördert werden und in der die Konsumenten bewusster und weniger Fleisch konsumieren. Diese Zukunft sich bereits jetzt in allen Einzelheiten auszumalen würde uns nicht weiterhelfen. Wichtig ist, dass wir die Richtung kennen.
Natürlich sieht das Endziel für viele überzeugte Veganer oder Vegetarier sehr viel radikaler aus, als für andere Gegner der Massentierhaltung. Das ist ganz normal: Auch in der Anti-Atomkraftbewegung gibt es unterschiedlich radikale Zielvorstellungen. Wir müssen uns nicht alle auf ein konkretes Endziel einigen, um für die ersten Schritte miteinander zusammenzuarbeiten. Das wäre für die Zusammenarbeit sogar schädlich. Alles, was wir brauchen ist eine grobe Richtung und eine genaue Vorstellung darüber, wie die ersten Schritte aussehen sollen.
Unsere letzten Forderungen könnten solche konkreten ersten Schritte sein: Eine bessere Kennzeichnung der Lebensmittel und der Abbau von Subventionen für Massentierhaltung, Überproduktion und Export. Wir denken, dass diese Forderungen konkret genug sind: Sollten sich Politiker entscheiden diese Forderungen umzusetzen, werden sie nicht lange nachdenken müssen, was sie konkret bedeuten.
c) “Gibt es eigentlich gerade einen besonderen Anlaß für Eure Aktion?”
Diese konkreten Forderungen sind gerade im Moment hochaktuell. Nach 2013 müssen die in der GAP geregelten Agrarsubventionen der EU neu verteilt werden. Der vor ein paar Tagen, am 18. November, vorgelegte Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, die Subventionen endlich auch nach ökologischen Kriterien zu verteilen. [1] Das heißt u.a. dass die Subventionen nicht einfach mehr nur nach der Größe der Höfe verteilt werden, sondern es eine Obergrenze für Großlandwirte geben soll. Diese Pläne gehen prinzipiell in die richtige Richtung und werden z.B. vom BUND [2] und EuroNatur [3] begrüßt, auch wenn sie nichts daran ändern, dass die Subventionen global gesehen schlimme Nebenwirkungen haben werden [4].
Landwirtschaftsministerin Aigner und der Bund deutscher Bauern kündigen aber bereits schon jetzt Widerstand gegen diese Reformvorschläge an, insbesondere gegen die Ausrichtung auf ökologische Ziele und die Einführung der Obergrenze. [5] Damit ihre Blockadepolitik keinen Erfolg hat, ist es wichtig die Öffentlichkeit gerade jetzt gegen die Massentierhaltung und eine ökologisch absurde Landwirtschaftspolitik zu mobilisieren.
Bitte unterstützen Sie uns also weiterhin bei dieser Aktion! Falls Sie selbst Vorschläge für konkretere Forderungen, Ideen für die strategische Ausrichtung oder aktuelle Hinweise haben, interessiert uns das natürlich und wir würden gerne mit Ihnen weiter darüber beratschlagen. Schreiben Sie uns doch einfach einen Kommentar oder eine Mail!
Fußnoten
- [1] EU Kommission: Pressemitteilung, vollständige Mitteilung der Kommission an Institutionen der EU ↩
- [2] BUND Pressemitteilung ↩
- [3] Pressemitteilung EuroNatur ↩
- [4] Oxfam, 18. November: Oxfam zur EU-Kommissionsmitteilung über EU-Agrarpolitik ↩
- [5] taz: 60 Milliarden neu verteilen, Sueddeutsche: Aigner lehnt Agrarreform ab, Albert-Schweitzer-Stiftung: Tiefensee und Aigner: für Massentierhaltung, gegen Arbeitsplätze ↩
Zum Thema E-Petition: Ich glaube, das könnt Ihr völlig unabhängig von dieser Aktion hier machen. Es dauert eh eine Weile, bis man die auch mitzeichnen kann. Und zum Punkt, dass ihr noch keine konkreten Forderungen habt. Das ist überhaupt kein Problem. Noch mal als Beispiel die E-Petition zum Grundeinkommen:
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=1422
Da heißt es: “Der Deutsche Bundestag möge beschließen … das bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen.”
Bei Euch könnte es heißen: “Der Deutsche Bundestag möge die Abschaffung der Massentierhaltung beschließen.”
Die konkreten Punkte, wie, wann und was können und müssen eh später geklärt werden.
Schöne Aktion. Ein paar Anmerkungen, was man außer unterschreiben noch tun kann:
- Seine Umgebung daraufhin untersuchen, ob es Bauern gibt, die ihre Tiere ordentlich halten und ob die einen Hofverkauf haben. So kennt man “seine” Hühner, das ist besser als jedes Biolabel.
- Drüber nachdenken, ob man seine z.B. Hühner nicht selber hält. Das machen Freunde von mir seit einiger Zeit, und das ist auch nicht schwieriger als Meerschweinchen ordentlich halten.
In England gibts eine Initiative “Every egg matters”, und ich glaube, der Slogan triffts.
Man könnte darüber nachdenken, ob Tiere überhaupt in eine Pfanne oder auf den Schlachthof müssen oder ob es einfach nur fühlende Mitlebewesen sind, die systematisch hier gequält werden. Das ist die kalte Realität!
Menschen haben nicht das Recht Tiere zu “halten”.
Sie sind nicht unser Eigentum! Das sind Mitbwohner der Erde.
Sie wurden hier geboren, aber sicher nicht zum Nutzen der Menschen, die sich alles zum Nutzen machen, was auch nur einen Zentimeter kleiner ist, als sie!
Liebe Michaela,
Deinen Ausführungen kann ich nur aus vollem Herzen zustimmen.
So wie wir Menschen ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben haben, so hat auch jedes Tier auf dieser Welt ein Recht auf ein
tierwürdiges Leben!!!!!
Wieder “die bösen Buben”! ?? Haben wir wieder überraschender Weise böse Buben, die unsere Nahrung versauen? Auf die man als sogenannter mündiger Bürger eindreschen kann? Ich kann nur sagen: wir hirntoten Konsumenten sind selber schuld. So lange es eine “Lebensmittelindustrie” gibt, wird es Lebensmittelskandale geben. Heute Dioxine im Ei, im Fleisch.. Morgen? Die “Geiz -ist geil Mentalität” beginnt doch notgedrungen beim Einkäufer der Mastbetriebe und endet dann nicht beim Verbraucher. So lange ich für billig meine Lebensmittel einkaufe, habe ich eben “billig” im Produkt. Tun wir nicht so, als gäbe es keine Alternativen. Verbraucher haben Macht. Zertifikate wie Bioland, Demeter etc. garantieren für eine Qualität in der Nahrung, die man eigentlich als selbstverständlich erwarten könnte. Für sich und die Umwelt. Aber das ist halt ein paar Cent teurer. Und im Großmarkt, tja, koast´s halt weniger. Und hier sind wir wieder beim Anfang des Teufelkreises.
Da stimmt jedes Argument. Ich möchte aber folgendes zu Bedenken geben:
1. Ist das nur eine Seite der Medaille. Es ist etwas unfair, den Konsumenten in diesem Ton runterzumachen. Bei den Betreffenden führt das nur dazu, dass sie sich dem Thema verweigern. Schöner wäre es, aufzuzeigen, wie sexy es ist, sich in Ruhe um gutes Essen zu kümmern, und dass dies nicht teurer ist.
2. Ich glaube, dass die Lebensmittelindustrie von der Pokitik darin unterstützt wird, noch mehr zu wachsen. Und dem als Einzelperson etwas entgegen zu setzen ist erstmal nicht so einfach. Keine Zeit, keinen Überblick, kein Nerv etc.pp.
Was das angeht bin ich echt überglücklich über diese Kampagne, weil sie auf die Schnelle die wichtigsten Infos bereitstellt ( mit der Möglichlet, das bei Bedarf zu vertiefen). Gleichzeitig hat sie 300 Zugpferde vor den Karren gespannt, die ausdrücklich um Diskussionsbeiträge bitten. Und drittens nutzen wir das Internet und alles, womit man sonst noch so kommuniziert, um das alles weiter zu tragen. Das vernetzt die einzelnen Personen, die sich sonst vielleicht eher hilflos solchen Missständen gegenüber fühlen.