Ist kleiner gleich besser?
by Christian Voigt
“Appelle gegen Massentierhaltung hallen durch die Lande, 300 Professoren rufen auf zum Ausstieg”, so schreibt die Lebensmittelzeitung geradezu poetisch über unsere Aktion. [1] Dann folgt die Kritik: “Die implizite Schlussfolgerung im Umkehrschluss lautet: Kleinbäuerliche Strukturen sind gut fürs Tierwohl und die Sicherheit der Lebensmittel. Großbetriebe, wie immer auch zahlenmäßig definiert, sind im vornhinein verdächtig.”
Diese Abwehrstrategie ist uns nun schon öfter begegnet: Entweder wird gesagt der Begriff der “Massentierhaltung” sei vollkommen vage oder uns wird unterstellt wir gingen allein nach der Zahl der gehaltenen Tiere und würden uns damit auf den falschen Grundsatz “Je kleiner, desto besser” festlegen.
Um es einmal klarzustellen: Unsere Antwort auf die Frage “Ist kleiner gleich besser?” lautet “Nein”. [2] Wir behaupten nicht, dass es den Tieren in größeren Betrieben notwendigerweise schlechter geht als in kleinen. Wir behaupten: “Tiergerechte Tierhaltung ist besser als Massentierhaltung”. Das impliziert, dass Massentierhaltung nicht tiergerecht ist, aber nicht, dass die Haltung weniger Tiere per se tiergerecht wäre.
Wie kann es zu diesem Mißverständnis kommen? Indem man uns folgende Definition unterstellt: “’Massentierhaltung’ ist Tierhaltung in Betrieben mit hoher Bestandszahl, unabhängig davon, wie diese Tiere in diesen Betrieben gehalten werden.” Von uns wird der Begriff anders benutzt, so wie von den Medien oder im Alltag: Er wird benutzt für die konkreten industriellen Großbetriebe, die derzeit in Deutschland existieren. Und die zeichnen sich durch sehr viel mehr, als allein durch die Anzahl der gehaltenen Tiere aus. Wir haben in unserem Appell die grausamen Lebensumstände beschrieben, unter denen vor allem Schweine, Hühner und Puten gehalten werden. Hierbei handelt es sich nicht um “schwarze Schafe”, sondern um den Normalfall. Wir meinen diesen grausamen, momentan real existierenden Normalzustand, wenn wir von Massentierhaltung reden, und nicht jegliche mögliche Form von Großbetrieb oder jedes bestimmt auch existierende positive Gegenbeispiel.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, haben wir in unserem Appell den alltagssprachlichen Begriff präzisiert, so wie es in der Wissenschaft üblich ist, und zwar so: “Unter ‘Massentierhaltung’ verstehen wir die Haltung von Tieren in industriellen, weitgehend automatisierten Großbetrieben, in denen der Platz pro Tier nicht oder kaum das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß überschreitet.”
Wenn wir den Ausstieg aus der Massentierhaltung fordern, dann fordern wir also nicht einfach nur eine Verkleinerung der Betriebe, wir fordern eine Art der Tierhaltung, die den Tieren nicht länger krasse Schmerzen zufügt. Wir schließen uns auch hier dem lesenswerten Positionspapier des Netzwerkes “Bauernhöfe statt Agrarfabriken” an: “Wir streben eine Qualitätsproduktion an, bei der Klima-, Umwelt- und Tierschutz zum Nutzen der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Bäuerinnen und Bauern den Maßstab bilden. Erfolgreiche Vorbilder für das Modell der nachhaltigen, bäuerlichen Tierhaltung sind NEULAND-Fleisch, die Richtlinien des ökologischen Landbaus, der Thönes-Natur-Verbund und viele weitere. Um die umwelt- und tiergerechte Fleisch-, Eier- und Milcherzeugung flächendeckend voran zu bringen, müssen die politischen Rahmenbedingungen konsequent auf bäuerliche, regionale Strukturen, Umwelt- und Tierschutz ausgerichtet werden.”
Fußnoten
- [1] Gegengift gesucht, Lebensmittelzeitung, 13.1., Artikel nur mit Abbonement verfügbar ↩
- [2] In diesem Artikel geht es allein um den Tierschutz. Eine Gesamtabwägung, die Umweltschutz, Klimaschutz, globale Gerechtigkeit, Arbeitsplätze und -bedingungen, Fleischpreise usw. berücksichtigt, ist natürlich wesentlich komplizierter. Wenn es um den Klimaschutz geht, könnten Großbetriebe sogar besser sein als Kleinbetriebe, wenn es um Umweltschutz, Arbeitsplätze und -bedingungen geht, sind Kleinbetriebe wahrscheinlich besser, usw. Im Artikel der Lebensmittelzeitung wird zudem eingewandt, dass die Kontrolle von Großbetrieben einfacher sei. Auch das stimmt wahrscheinlich, ist aber an dieser Stelle für uns irrelevant. Für uns sind die grauenhaften Lebensbedingungen der Tiere der ausschlaggebende Grund für den Ausstieg aus der Massentierhaltung und dieser Grund ist so stark, dass er allein durch wirtschaftliche Erwägungen nicht aufgewogen werden kann (siehe dazu unsere Begründung), zumal sich die wirtschaftliche Situation für die meisten Landwirte durch den Ausstieg langfristig gesehen sogar verbessern würde und nur die Großindustriellen der Agrarindustrie darunter dauerhaft wirtschaftlich leiden würden. Natürlich muss aber der Ausstieg aus der Massentierhaltung für möglichst alle Landwirte sozialverträglich gestaltet werden. ↩
Dioxin, BSE, Gammelfleisch & Co sind nicht der Skandal.
-Dies ist nur die logische Konsequenz-.
Der Skandal an Sich, ist die industrielle Massentierhaltung .
Zitat: „….zumal sich die wirtschaftliche Situation für die meisten Landwirte durch den Ausstieg langfristig gesehen sogar verbessern würde und nur die Großindustriellen der Agrarindustrie darunter dauerhaft wirtschaftlich leiden würden. Natürlich muss aber der Ausstieg aus der Massentierhaltung für möglichst alle Landwirte sozialverträglich gestaltet werden.“
Zu Satz 1:
Wenn man das jetzt mal aus betriebswirtschaftlicher Sicht betrachtet, könnte das hinkommen. Denn es ist doch Folgendes zu erkennen: Großindustrielle arbeiten nach dem Kostenrechnungs-Prinzip, das bedeutet, Kostensenkungsziel auf Teufel komm raus ohne Rücksicht auf Verluste (siehe auch beim aktuellen Dioxin-Skandal, ohne Zweifel motiviert durch Kostensenkungsziele). Während z. B. kleinere Betriebe, insbesondere kleinere Bio-Betriebe vielmehr nach dem Profit-Center-Prinzip arbeiten, das bedeutet, dass das Kostensenkungsziel nicht allein beherrschend ist, dem gegenüber gestellt wird auch das Ergebnisziel.
Ein gravierender Unterschied zwischen Kostensenkungsziel und Ergebnisziel ist unbestritten die Qualität in jeder Hinsicht, denn beim Kostensenkungsziel bleibt die Qualität irgendwann zwangsläufig auf der Strecke, was sich am Ende z. B. darin äußern kann, dass einem die Kundschaft davon läuft. Beim Ergebnisziel dagegen hat die Qualität einen viel höheren Stellenwert und sie wird erreicht z. B. durch ausgezeichnete Qualität und Berücksichtigung des Kundenwunsches, was wiederum zu einem höheren Ertrag führen kann. Gutes solides Geld für solide Qualität eben.
Wie auch in manch anderen monopolistischen bzw. oligopolistischen Bereichen zeigt sich doch auch im Agrar-Bereich: Je weniger konkurrierende Betriebe auf dem Markt vorhanden sind, desto schlechter wird die Qualität und desto schmutziger wird das Geschäft.
Ich habe keine Zweifel daran, dass so mancher Großindustrielle ohne Subventionen aus Steuermitteln schon längst hätte Insolvenz anmelden müssen, etwa so, wie es in den USA innerhalb der letzten zwei Jahre schon geschehen ist, wenngleich dazu vermutlich auch beigetragen hat, dass Großindustrielle sich zweifelhaft hervorgetan haben – insbesondere im Umgang mit Tieren – und dass sich damit einhergehend lt. einer Studie in den USA pro Tag ca. 3000 Bürger für den Vegetarismus entscheiden.
Was mich gleich zu Satz 2 führt:
Warum sollte der Ausstieg aus der Massentierhaltung für möglichst alle Landwirte sozialverträglich sein? Ich kann diese Meinung ganz und gar nicht teilen und möchte doch mal daran erinnern, dass viele andere Unternehmer in diesem Land ihren Betrieb eben dicht machen, sprich Insolvenz anmelden und meistens mit ihrem gesamten Privatvermögen haften müssen, wenn sie z. B. nicht vernünftig und entgegen des Kundenwillens gewirtschaftet haben, ein wichtiger Auftraggeber aus welchen Gründen auch immer weggebrochen ist oder konjunkturelle Gründe z. B. mangelnde Nachfrage das Geschäft zum Erliegen gebracht haben. Zahllose Einzelhändler, Handwerker und Freischaffende bekommen keine Subventionen aus Steuergeldern und sind dank der ausreichend vorhandenen Konkurrenz angehalten, nach dem oben erwähnten Profit-Center-Prinzip zu arbeiten. Warum zum Teufel sollte dieses Prinzip nicht auch für Landwirte gelten? Warum meint man immer, dem Agrar-Bereich den roten Teppich ausrollen zu müssen? Es macht mich als Bürgerin gelinde gesagt, schon zornig genug, dass ich wider Willen mit meinem Steuergeld tierquälerische Betriebe und Dumping-Exporte mitfinanzieren muss und damit auch das Vorantreiben des Klimawandels mitbezahle. Wenn ich dann auch noch Forderungen eines Herrn Sonnleitner höre, dass der Staat – ergo der Steuerzahler – zudem die Ausfallverluste der landwirtschaftlichen Betriebe ausgleichen soll, die durch kriminelle Machenschaften in der Futtermittel-Industrie verursacht sind, dann bringt dies das Fass zum Überlaufen. Es scheint, dass es allmählich zur Angewohnheit wird, dass der Steuerzahler generell für alles aufkommen soll, was Kriminelle verursacht haben. Und dass das so ist, konnten wir ja schon bei der Finanzkrise sehen.
Deshalb meine ich: Keine Auffangzahlungen für Schäden, die aus kriminellen Aktivitäten herrühren. Keine Subventionen und wenn Subventionen, nur an richtiger Stelle bzw. mit strengen Kopplungen an Tierschutz-, Artenschutz- und Umweltstandards. Weniger Großindustrielle, mehr absolute Konkurrenz, mehr Qualität.
Eine Reihe solcher Bausteine wird die Spreu vom Weizen ganz schnell trennen. Und warum sollten Instrumente, die in jedem anderen Bereich der Wirtschaft funktionieren, nicht auch im Agrar-Bereich funktionieren. Er rühmt sich doch selbst, ein Wirtschaftszweig zu sein, also sollte man ihn genau hier am Kragen packen.
Die Kompetenz der 300 Professoren ist ungefähr gleichwertig mit der Kompetenz eines Agrarprofessors über die Werke von Walther von der Vogelweide.